Klartext360! mit Markus Fröhlich

Software gegen Foodwaste

Mit einer Software Lebensmittel retten? Klingt zugegegen abgefahren – dem wollten wir mit Klartext360! auf den Grund gehen!

Wir begrüßen heute bei uns Markus Fröhlich, Geschäftsführer von Delicious Data, herzlich willkommen. 

Markus, erzähl uns doch mal ein bisschen was zu Delicious Data und wie du dazu gekommen bist?

Delicious Data selbst gibt es jetzt seit gut 4 Jahren, ich bin seit 7 Monaten mit an Bord. Kurz zu mir: Ich habe ursprünglich Jura studiert, dann den MBA in General Management gemacht und bin schon seit fast 20 Jahren im Bereich Vertrieb und Marketing bei Start-ups unterwegs, die letzten 10 Jahre in Führungspositionen. Mein Hauptaugenmerk war immer, bestehende Vertriebsstrukturen zu skalieren. Als ich mich nach einer neuen Position umgesehen habe, war mir wichtig, das, was ich kann und was ich die letzten Jahre, schon fast Jahrzehnte, gemacht habe, gewinnbringend einzusetzen. Aber zum ersten Mal hatte ich den ganz klaren Fokus im Bereich Impact Start-ups, sprich, ich wollte in ein Unternehmen, das einen gesellschaftlichen Mehrwert bietet. Und so bin ich zu Delicious Data gestoßen, und in den Gesprächen mit den beiden Gründern sind wir uns damals schnell einig geworden. Ein gutes halbes Jahr später glaube ich, dass wir mit der Entscheidung alle immer noch glücklich sind. 

Was steckt hinter Delicious Data, was macht ihr genau? 

Wir sind ein Softwareunternehmen mit einer Software as a Service Lösung im Bereich Absatzprognosen für die Lebensmittelindustrie. Ursprünglich kommen wir aus dem Bereich der Gemeinschaftsverpflegung, Großküchen. Ob das jetzt Mensen sind, in der Uni oder Betriebskantinen, im Krankenhaus, in Unternehmen, wo große Mengen an Essen produziert und konsumiert werden – meist geht es um die Planung. Wie viele Essen werden an welchem Tag verkauft? Das ist ein Thema, das wir durch Unterstützung von künstlicher Intelligenz adressieren, um da die Planungsgenauigkeit zu erhöhen –  mit dem Ziel, weniger Lebensmittelabfälle zu produzieren. 

Seit einiger Zeit haben wir unsere Lösung zusätzlich erweitert, um die untertägige Produktion von frischen Lebensmittel zu optimieren. Das entsprechende Feature nennen wir „intelligenter Tagesplaner“ und kommt vor allem im Bereich der Zwischenverpflegung sowie bei Bäckereien und Quick Service Restaurants und im Lebensmitteleinzelhandel zum Einsatz.

Das klingt super! Und wie kommt man auf sowas? Ist das der Wunsch nach nachhaltigem Leben gewesen?

Die Idee ist wirklich aus der Praxis entstanden, vor mittlerweile 5 Jahren. Valentin und Jakob (die Gründer von Delicious Data, Anm. der Redaktion) wollten an der Uni in Stuttgart in der Mensa Mittag essen und sind kurz vor Schluss gekommen. Im ersten Moment freut man sich, dass noch das ganze Sortiment im Angebot ist. Hinter ihnen ist dann auch schon die Tür zugegangen. Der erste Gedanke ist also “schön, die volle Auswahl”. Aber der weitere Gedanke ist dann, dass irgendwas falsch läuft. Das sollte eigentlich so nicht sein, denn wenn jetzt die Türe zu geht, bedeutet das, dass das ganze Essen, das übrig ist, wohl weggeworfen wird. 

Dieser Gedanke hat speziell Valentin nicht mehr loslassen, und er ist dann mehr in die Tiefe gegangen. Was passiert mit dem Essen? Ein Teil ja kann weiterverarbeitet werden, aber ein Großteil wird tatsächlich einfach weggeworfen. Warum ist das so?

Der Grund war ganz einfach: Die Prognose für die Zukunft war für den jeweiligen Küchenleiter in dem Bereich sehr, sehr schwierig, weil diese von sehr vielen Faktoren abhing. Das war die Frage, wie viele Gäste am jeweiligen Tag erwartet werden. Und wie werden sich diese auf die verschiedenen Menüs verteilen? Bis dato lief das mit Bauchgefühl und Erfahrungswerten. Aber Valentin dachte sich, das kann und muss besser gehen!  So ist die Idee von Delicious Data entstanden. Die weitere Entwicklung lief aber natürlich über einen längeren Zeitraum, wie es immer bei Software-Themen ist. Dann kam der erste Prototyp in den Testlauf, und gut 4 Jahre später sind wir nun ein Team von 12 Leuten und stark wachsend. Mittlerweile sind aus dem Grundgedanken weitere Features und weitere Produkte von uns entstanden, die auch in weiteren Segmenten wie zum Beispiel Bäckereien im Einsatz sind. 

Und wie funktionieren solche Reports mit künstlicher Intelligenz genau? Kann man das überhaupt einfach erklären? Es klingt zumindest recht abgefahren, muss ich sagen… 

Ist es auch ein bisschen (lacht). Was dahinter steckt, ist sehr technologisch. Da geht es um Deep Learning Algorithmen, um künstliche Intelligenz, aber man kann es auch recht simpel  erklären: 

Bauchgefühl und Erfahrungswerte sind nichts anderes als ein paar wenige Datenpunkte, die der Mensch verarbeiten kann. Da gibt es aber noch viel, viel mehr Datenpunkte, die man mit Unterstützung von künstlicher Intelligenz berücksichtigen kann – und das liefert bessere Ergebnisse.

Noch einfacher: Zu Beginn einer Kooperation schauen wir uns historische Daten und Werte an. Was wurde in der Vergangenheit angeboten, zu welchem Preis, und wie viel wurde davon verkauft. Das reichern wir mit externen Faktoren an, wie Wetterdaten, kalendarischen Daten, und weiteren Datenpunkten, die auf das Verhalten Einfluss nehmen könnten. Dies schaut sich unser Algorithmus an, auch auf die Vergangenheit bezogen –  wie verhält sich das Gästeaufkommen, die Verteilung der Essen, wie ergeben sich Ernährungstrends und weitere Punkte, um dadurch dann Prognosen für die Zukunft zu liefern. 

Auf dieser Basis kann man dann die Bestellung, die Logistik und auch die Produktion in die Wege leiten. 

Das klingt, als würden Eure Kunden auf einer sehr breiten Palette profitieren. Kann man das auch konkret beziffern? 

Unsere Mission ist, nachhaltiger zu sein und Foodwaste zu reduzieren. Es stellt sich nicht die Frage, ob man sich Nachhaltigkeit leisten kann und wie viel man davon profitiert. Es geht Hand in Hand. Das Ergebnis unserer Arbeit und unserer Software ist, dass man Lebensmittelabfälle reduziert. 

Dadurch, dass man besser und genauer einkauft und bessere Prognosen hat, wirft man weniger weg und hat geringeren Wareneinsatz. Wie man das Ganze messen kann, ist relativ einfach definiert. Die Reduktion der Lebensmittelabfälle zum Beispiel wird in Kilogramm angegeben. 

Einige unserer Kunden haben im Vorfeld unserer Zusammenarbeit hier schon genaue Werte, wenn sie beispielsweise wissen, wie viele Kilos sie jeden Tag wortwörtlich in die Tonne werfen. 

Wenn diese Daten noch nicht vorhanden sind, dann machen wir zu Beginn einen Benchmark-Zeitraum, in dem wir uns den Status quo ansehen. So sieht man die Situation vor der Zusammenarbeit mit uns und im Anschluss die Veränderungen über die Wochen und Monate hinweg. 

Im Durchschnitt erreichen wir 30 – 40% weniger Lebensmittelabfälle. 

Auch beim Thema Kosten senken gibt es sehr gute Erfolge. Für jedes Essen, das ich weniger produziere, brauche ich weniger Energiekosten usw. Aber auch das Thema Wareneinsatz reduzieren ist wichtig, dass ich weniger und punktgenauer einkaufe und dadurch weniger wegwerfe. 

Zusammengefasst sind dies die Hauptthemen im Bereich “Lebensmittelabfälle reduzieren”, die wir angehen, und dies auch messbar und transparent machen. 

Gibt es denn konkrete Zahlen, wie jetzt Delicious Data die Welt ein bisschen besser macht? (lacht)

Die gibt es natürlich, und darauf sind wir sehr stolz! Die letzten Zahlen, die man Ende letzten Jahres erhoben hat, sagen, dass wir bis dato über 500.000 Essen gerettet und damit über 700 Tonnen CO₂ eingespart haben. Das gilt für alle Kunden gemeinsam. Man kann sagen: Im Schnitt reduzieren wir die Lebensmittelabfälle um 30%. 

Das klingt total super… 

…das freut uns auch, und das ist es, was uns jeden Tag antreibt.

Ziel dieses Jahr ist, in beiden Bereichen – gerettete Mahlzeiten und CO₂-Einsparung –  die Million zu knacken –  und da sind wir auch auf sehr, sehr gutem Weg. 

Ihr seid noch nicht so lange am Markt und ein recht junges Unternehmen –  was sind denn eure Ziele für die Zukunft? 

Ziele für die Zukunft haben wir natürlich viele:

Das eine große Ziel ist, wie gesagt, die Million an geretteten Essen und an gespartem CO₂ zu knacken. Das ist mittlerweile glücklicherweise schon fast ein kurzfristiges Ziel, das wir im Laufe dieses Jahres erreichen werden. 

Wir haben aber natürlich auch Ziele, die sich immer ambitionierter nach vorne bewegen – im Bereich Impact, also welche positiven Auswirkungen unsere Arbeit auf die Gesamtbilanz hat, und Ziele, die das Produkt betreffen. Wir wollen das KI-Betriebssystem in der Lebensmittelindustrie sein, im produzierenden Gewerbe, die Schnittstelle zwischen bestehenden Systemen, wie Warenwirtschaft und Kassensystem, die vorhandenen Daten nutzbar machen, um durch uns als Tool in der Mitte bessere Prognosen zu liefern, unseren Kunden Geld und Zeit zu sparen, effizienter zu werden und  – aus dem resultierend  – dann die Lebensmittelabfälle zu reduzieren. Das ist unser großes Ziel, an dem wir weiter arbeiten.

Ambitioniert!  Aber es klingt, als hättet ihr einen guten Fahrplan. Markus, habt ihr denn auch Vorbilder, die euch besonders inspirieren? 

Vorbilder als Unternehmen und als Einzelpersonen haben wir natürlich sehr viele. Ich glaube, wir orientieren uns an Vorreitern, Visionären, mit denen wir uns zwar nicht vergleichen wollen, aber die Dinge einfach ins Leben rufen, die es bis dato so noch nicht gegeben hat. Leute, die bestehende Systeme aufzubrechen versuchen. Das ist auch genau das Thema, das uns vorantreibt. Wir bewegen uns in einer Branche, die zwar die letzten 2 Jahre starke Veränderung aufgrund von der Pandemie gesehen hat, die aber auch die Jahre und Jahrzehnte davor ein schon relativ starres Regelwerk gehabt hat. 

Als wir vor 4/5 Jahren gestartet haben, haben wir gemerkt: Man muss Prozesse aufbrechen und umdenken, einerseits mit Digitalisierung, andererseits mit Nachhaltigkeit (das vor 5 Jahren noch weniger im Fokus war als es die letzten 1/2 Jahre ein Thema ist). 

Aber auch operative Arbeitsabläufe müssen sich verändern, durch Digitalisierung verbessern – da ist schon viel Wandel in den Branchen, in denen wir uns bewegen. 

Und hier sehen wir uns schon auch als Vorreiter, weil wir damit zu einem Zeitpunkt gestartet haben, als das Ganze neu war und wo auch viel Aufklärungsarbeit vonnöten war. Aber es trug immer mehr Früchte, weil unsere Kunden den Mehrwert in allen Bereichen erkannten und dann auch zu unseren besten Fürsprechern für Interessenten und Neukunden wurden. 

Aber jetzt hast du ja keine konkreten Namen genannt. Wer ist denn so ein(e) Vorreiter:in, der/ die euch inspiriert?

Für mich persönlich waren es immer Menschen wie Steve Jobs oder Elon Musk. Leute, die Sachen neu denken, Sachen angreifen. Wo man im Nachhinein sagt “ja, das ist toll”, aber wenn man deren Geschichte anschaut, hieß es zuvor bei einem Großteil der Menschen, das funktioniert nie, ist kompletter Blödsinn. Ich vergleiche mich nicht mit diesen Vorbildern, aber sie symbolisieren, dass weiter denken, out of the box denken, auch Produkte oder komplette Branchen neu ins Leben rufen kann. 

Was würdest du jungen Neugründern oder jungen Unternehmen als Tipp mit auf den Weg geben? Wie kommt man denn in gutes Fahrwasser?  

Da gibt es natürlich viele Tipps. Ich glaube, das Wichtigste ist einmal, dass man eine Idee hat, so wie es auch bei uns war. Und wenn man eine Idee hat, dann sollte man die auch verfolgen. 

Es gibt viele Leute mit vielen guten Ideen, die man in Unternehmen oder Produkte umsetzen kann. Aber der größte Knackpunkt ist, die Idee, die einem vielleicht zwischen Tür und Angel, oder wie in unserem Fall wortwörtlich beim Mittagessen, gekommen ist, nicht einfach fallen zu lassen, sondern auch zu verfolgen. Sich zu fragen: Kann das vielleicht in ein wirklich florierendes Unternehmen umgemünzt werden? 

Ich glaube, das ist der Punkt, warum viele potenzielle Unternehmen leider nie ins Leben gerufen werden. Deshalb: Wenn man eine Idee hat, dann haben wir glücklicherweise eine Startup-Infrastruktur, über die man viel Know-how, aber auch Investitionskapital abgreifen kann, um sie in die Realität umzusetzen.  

Noch ein wichtiger Punkt: Den Nachhaltigkeitsaspekt berücksichtigen! Das Thema setzt sich mehr und mehr bei Unternehmen jeglicher Größe durch und wird Teil der Corporate Identity. Natürlich auch in Verbindung mit Kosten senken. Jedes Unternehmen soll und muss wirtschaftlich sein, aber das Thema Nachhaltigkeit wird immer mehr in den Fokus geraten.

Alles, was man in Angriff nimmt, muss man im Zusammenhang sehen und berücksichtigen, wie sich die Gesellschaft und die Zukunft weiterentwickeln. Und da ist nun mal Nachhaltigkeit ein wichtiger Punkt, den man beachten muss. Nachhaltigkeit kann mit Wirtschaftlichkeit Hand in Hand gehen. 

Das klingt wirklich super spannend, was ihr macht und wie ihr an die Sache rangeht. Hast du zum Abschluss noch ein Lieblingszitat? 

Lieblingszitate hab ich viele, aber hier eines, das auf die Frage von zuvor auch anknüpft, ein Aufruf für potenzielle Gründer, damit man am Ende nicht die Dinge bereut, die man nicht gemacht hat, oder wie es Nike sagt: Just do it. 

Der Aufruf sagt vereinfacht: Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist KMU getrieben, ganz klar, aber jedes KMU hat einmal gestartet – und da sieht man: Ideen gibt es sehr viele, wir bewegen uns, wir sind auch gerade in einem Umbruch, was die Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung betrifft.

Es gibt noch viele unerschlossene Bereiche, die man aufbrechen kann, so wie wir es auch versuchen, und ich freue mich über jedes Unternehmen, das mit einer Idee  gestartet ist und das Fortschritte gemacht hat.

Das ist ein gutes Zitat und ich freue mich schon zu erfahren, wie es mit euch weitergeht und was ihr die nächsten Jahre noch so bewirkt. 

Ich bedanke mich recht herzlich für das Gespräch!